Ratgeber

Stufen der körperlichen Aktivität und die Folgen


Im Folgenden werden die aktuellen Empfehlungen zur körperlichen Aktivität dargestellt. Sie gelten, sofern nicht anders beschrieben, für gesunde Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren.
Sitzende Tätigkeiten/Inaktivität
Bislang gibt es noch keine einheitliche Definition für sitzende Tätigkeiten. Zwei Sichtweisen finden sich aktuell am häufigsten in der Literatur: Inaktivität als Sitzen und Liegen oder Inaktivität kombiniert mit Aktivitäten von sehr geringer Intensität (unter 1,5 METs), d. h. langsames Gehen. Auch die methodische Qualität ist noch nicht zufriedenstellend; meist handelt es sich um Selbstangaben der untersuchten Personen. Deshalb ist der Zusammenhang zwischen Inaktivität und Inzidenz nicht übertragbarer Erkrankungen sowie deren Mortalität und Morbidität noch nicht solide zu bewerten. Sitzende Tätigkeit ist nicht automatisch mit Inaktivität gleichzusetzen, jedoch ist es sicher richtig, den Fokus von Empfehlungen auch auf eine Vermeidung unnötiger Sitz- und Liegezeiten zu richten. Dabei geht es im Wesentlichen um „vermeidbare“ Bildschirmmedienzeit. Epidemiologische Studien weisen zunehmend auf Zusammenhänge von Inaktivität mit Adipositas, kardiometabolischen Erkrankungen, Malignomen und psychosozialen Problemen in nahezu allen Altersgruppen hin. Konkrete Empfehlungen zur Abhilfe gibt es bislang nicht, vielmehr wird versucht den Betroffenen die Konsequenzen bewusst zu machen. So haben die wenigsten Menschen eine genaue Vorstellung von der Bedeutung und dem Ausmaß ihrer Inaktivität; sie kennen auch in der Regel nicht ihren täglichen Energieverbrauch. Sie wissen aber, in welcher Position sie sich (zumeist) befinden. Auf eine Reduktion bzw. Meidung unnötiger Sitz- und Liegezeiten ist deshalb immer wieder hinzuweisen. Bei Fernsehkonsum wiederum hat sich eine Grenze von zwei Stunden herausgestellt, die – wenn überschritten – mit einer deutlichen Zunahme der genannten Erkrankungen einhergeht.
Alltagsaktivitäten – Bewegung im Alltag
Nicht nur die sportlichen Aktivitäten, sondern auch solche im Alltag, z. B. Gartenarbeit, Treppensteigen, zu Fuß gehen oder Rad fahren, sind mit einem gesundheitlichen Nutzen verbunden. Die Gesamtsterblichkeit kann durch Walking um 11% und durch Radfahren um 10% gesenkt werden. Es wird beschrieben eine Verbesserung der kognitiven Funktion bei dementiellen Erkrankungen durch Gartenarbeit. Als Ziel werden zumeist 10.000 Schritte pro Tag genannt. Innerlichen Aktivität und die Folgen einer aktuellen Metaanalyse von 32 Studien wurde der Zusammenhang zwischen Walking und kardiovaskulären Risikofaktoren untersucht. Dabei zeigte sich zwar kein Effekt auf den Fettstoffwechsel, wohl aber eine Verbesserung der kardiorespiratorischen Leistung mit Steigerung der relativen VO2max um etwa 3 ml/(min · kg KG), eine Senkung des systolischen Blutdrucks um etwa 3,6 mmHg, des diastolischen um etwa 1,5 mmHg, Reduktion von Gewicht um 1,4 kg, des BMIs um 0,5 kg/m2, des Bauchumfangs um 1,5 cm und des Körperfetts um 1,2%. Die Autoren unterstrichen daher die Bedeutung von Gehen/Walking für die Gesundheitsförderung. Das betrifft auch Gehen in Malls bzw. „Shopping“ – wie in einem aktuellen Review von 32 Studien (Farren et al. 2015) dargestellt wurde. Dabei hat sich gezeigt, dass zur Erreichung eines gesundheitlichen Nutzens (z. B. BMI-Senkung, Blutdrucksenkung), die Kommunikation des Ziels von 10.000 Schritten bedeutsam ist. Für Beratungssituationen ist der Hinweis auf eine generelle Unschärfe in den allgemeinen Bewegungsempfehlungen vonnöten: denn, um 1000 Schritte zu absolvieren, benötigt man zehn Minuten bzw. sechs Minuten bei schnellerem Gehen. Das heißt, dass eine Ziel-Minutenzahl von 100 Minuten im Alltag erforderlich ist.
Moderate bis intensive körperliche Aktivität
In der Prävention nahezu aller nichtübertragbarer Erkrankungen werden zusätzlich zu Alltagsaktivitäten sportliche Aktivitäten mit moderater bis intensiver Intensität an den meisten Tagen der Woche (Minimum 5 Tage) empfohlen. Dies kann in 10 Minuten Einheiten absolviert werden; insgesamt sollen 150 Minuten Bewegungszeit pro Woche erreicht werden.
Das Ziel ist die Steigerung der körperlichen Fitness durch ein adäquates Ausdauertraining, kombiniert mit Stretching zur Steigerung der Flexibilität und Koordinationsübungen sowie ein angemessenes Krafttraining zur Verbesserung der Muskelkraft. Explizit soll ein Ausdauertraining an mindestens 5 Tagen pro Woche bei 55% – 90% der maximalen Herzfrequenz durchgeführt werden, z.B. als Walking oder Radfahren mit einer Dauer von 30 bis 60 Minuten.
Das Krafttraining sollte alle großen Muskelgruppen umfassen und 2–3-mal/Woche bei 50% 80% des One-Repetition-Maximum durchgeführt werden. Empfohlen werden 1–3 Durchgänge mit jeweils 8 bis 15 Wiederholungen pro Übung und einer Dauer von 30–45 Minuten. Für Wiedereinsteiger oder Neustarter wird eine sportärztliche Voruntersuchung empfohlen, um mögliche kardiale Risiken auszuschließen.
Zusätzliche Aspekte der moderaten bis intensiven Aktivität
Die aktuellen kanadischen Empfehlungen für gesunde Erwachsene (18 bis 65 Jahre) schließen auch Patienten mit Mamma- und Kolonkarzinom ein. Für ältere Menschen (über 65 Jahre) legt eine kanadische Expertengruppe den Schwerpunkt auf funktionale Aspekte (z. B. Treppensteigen) und den Erhalt der Unabhängigkeit bzw. der kognitiven Leistungsfähigkeit. Die Empfehlungen lassen erkennen, dass nicht einzelne Sportarten im Vordergrund stehen, sondern aus Ausdauer und Kraft ausgewählt werden kann. Der Mindestumfang von 150 min/ Woche bei moderater und 75 min/Woche bei intensiver Bewegung sollte erreicht werden. Dies beruht darauf, dass von einer „Dosis-Wirkungsbeziehung“ ausgegangen wird, d. h. einfach ausgedrückt je mehr gemacht wird, umso höher ist der gesundheitliche Nutzen. Höhere Intensitäten scheinen mit einem größeren Nutzen bei gleicher Dauer verbunden zu sein. Dabei wird in der Praxis neben den o. g. METs zur Beurteilung der Intensität zumeist die Atemfrequenz bzw. das Schwitzen herangezogen. Dabei gilt eine Belastung als moderat, wenn eine Person nur etwas außer Puste gerät bzw. schwitzt, und als intensiv, wenn die Atmung deutlich erschwert ist und sie erheblich schwitzt.

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