Ratgeber

Sich Zeit fürs Essen nehmen – der Einfluss von Stress

Es ist wichtig, sich Zeit beim Essen zu nehmen. Das ist angenehm, regt an, vielseitig zuzugreifen, und fördert das Sättigungsempfinden. Vor allem in zahlreichen Spielfilmen wird exemplarisch vorgeführt, wie man idealerweise essen sollte – an einem schön gedeckten Tisch mit Freunden, in der Familie oder unter Kollegen ohne Zeitdruck und Störfaktoren wie etwa Fernsehen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Da beginnt der Tag mit einem hektischen Frühstück im Stehen, das Mittagessen wird entweder am Computer oder unter Zeitdruck in der Kantine eingenommen, und das Abendessen gleicht eher einer Nebenbeschäftigung vor der Flimmerkiste.
Chronischer Stress führt nicht nur zu physiologischen Veränderungen wie Erhöhung des Blutdrucks oder vermehrter Ausschüttung von Stresshormonen, was langfristig zu Krankheiten führen kann. Stress verändert auch das Ernährungsverhalten. Dabei zeigten tierexperimentelle Studien, dass es unter Einfluss von Stress sowohl zu vermehrter als auch verminderter Essbereitschaft kommt. Beim Menschen führt eine erhöhte berufliche Stressbelastung zu einer vermehrten Energiezufuhr. Studenten, die wegen einer Prüfung ängstlich waren, zeigten eine ungewöhnlich gesteigerte Nahrungsaufnahme.
Andere Untersuchungen, die Menschen unter extremer Stressbelastung beobachteten, beschrieben jedoch auch gegenteilige Effekte auf das Essverhalten: Es kam zu deutlich vermindertem Appetit und reduzierter Energieaufnahme. Aus diesen Studien kann geschlossen werden, dass wahrscheinlich die Art und Intensität des Stressauslösers sowie subjektive Unterschiede das Essverhalten entscheidend beeinflussen.
Noch wenig untersucht wurde bisher, welche Speisen Menschen unter Stresssituationen bevorzugen. In einer US-amerikanischen Studie wurde dieser Frage nachgegangen. An der Untersuchung nahmen 68 gesunde Männer und Frauen teil. Die Versuchspersonen wurden in zwei Gruppen unterteilt, die „Stressgruppe“ und die Kontrollgruppe. Außerdem wurde bei der Auswertung berücksichtigt, ob jemand ein „emotionaler“ Esser ist oder nicht. Mit emotionalen Essern sind Menschen gemeint, die häufig von negativen Gefühlen bestimmt werden und mit stimmungsaufhellenden Nahrungs- oder besser Genussmitteln versuchen, sich wieder „glücklich“ zu essen. Nichtemotionale Esser hingegen zeigen ein normales Essverhalten, das von negativen Gefühlen weitgehend nicht beeinflusst wird. Zum Auslösen einer Stressreaktion wurden die Versuchspersonen angehalten, eine Rede von vier Minuten innerhalb von zehn Minuten vorzubereiten. Diese sollte dann im Anschluss an das Mittagessen auf Video aufgezeichnet werden. Die Versuchspersonen wussten jedoch nicht, dass die Rede nur ein Vorwand war, Stress auszulösen, und dass sie sie eigentlich gar nicht halten würden. Die Versuchspersonen der Kontrollgruppe, die nicht gestresst wurden, hörten lediglich zehn Minuten lang einen einfachen Text, mit dem sie ansonsten nichts weiter machen sollten. Vor und im Anschluss an die 10-minütige Vorbereitungszeit wurden bei allen Testpersonen Blutdruck und Herzfrequenz gemessen sowie Stimmungslage und das Ausmaß ihres Appetits festgestellt. Nach den Messungen durften die Teilnehmer sich Speisen an einem Büfett aussuchen und verzehren. Dabei wurde genau registriert, wie viel die einzelnen Testpersonen verspeisten.
Die Analyse des Testergebnisses zeigte, dass die „Stressgruppe“, wie zu erwarten war, im Anschluss an die 10-minütige Vorbereitungszeit deutliche physiologische Veränderungen – wie Anstieg des Blutdrucks und eine negative, angespannte Stimmungslage – zeigte. Interessant war, dass die „gestressten“ Versuchsteilnehmer im Vergleich zu den Teilnehmern der Kontrollgruppe keine größeren Mengen vom Büfett aßen. Jedoch bevorzugten die gestressten, emotionalen Esser deutlich mehr süße, fetthaltige und energiereiche Speisen als die nichtgestressten, nichtemotionalen Esser.
In einer weiteren Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, ob Frauen und Männer ein unterschiedliches Essverhalten nach Einwirkung von Stressauslösern zeigen. Zu diesem Zweck wurden Frauen und Männer angehalten, entweder einen stressauslösenden Kurzfilm über Arbeitsunfälle (mit dem Titel „It didn’t have to happen“/Es musste nicht geschehen) oder einen beschaulichen Reisebericht über den Nationalpark Bighorn Canyon anzuschauen. Während der Filmvorführung durften die Versuchspersonen verschiedene Snacks wählen. Angeboten wurden Süßigkeiten, salzige Knabbereien und ungesalzene Erdnüsse. Im Anschluss an den Film wurden die Menge und Art der verzehrten Snacks festgestellt. Dabei zeigte sich, dass während des stressauslösenden Films Männer viel weniger und Frauen deutlich mehr aßen als beim Betrachten des geruhsamen Reiseberichtes. Ferner bevorzugten Frauen unter Stress vor allem Süßigkeiten.

Fazit:
■ Nehmen Sie sich Zeit beim Essen, und versuchen Sie, es zu genießen.
■ Stress führt bei Menschen, die sich gerne mit Nahrung trösten, zu einem vermehrten Konsum von ungesunden Speisen.
■ Frauen und Männer zeigen ein unterschiedliches Essverhalten auf Stress.

Und noch drei Tipps für das Wohlbefinden:
• Versuchen Sie, mehr Zeit für das Frühstück zu reservieren, etwa durch früheres Aufstehen.
• Nehmen Sie kleinere Bissen, und kauen Sie länger.
• Essen Sie bewusst, das heißt, gehen Sie während des Essens keinen „Nebenbeschäftigungen“ nach wie lesen, arbeiten oder fernsehen.

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