Eine oft unerkannte Ursache für Müdigkeit ist ein unerholsamer Schlaf. Dabei haben die Betroffenen zwar das Gefühl, gut und genügend zu schlafen, sind aber trotzdem erstaunt, dass sie unausgeruht erwachen und sich tags- über sehr müde fühlen. Hinweise auf unerholsamen Schlaf sind eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit und eine Einschlafneigung am Tag. Geschieht dies nur vor dem Fernseher oder in einem Vortrag, so ist dies meist nicht weiter tragisch, geschieht es aber in einem wichtigen Gespräch, ist es peinlich und beim Autofahren (z. B. bei einer monotonen Fahrt auf der Autobahn) ist es gefährlich. Es gibt Checklisten, die die Einschätzung erlauben, ob eine kritische Tagesmüdigkeit vorliegt, die weiterer Abklärung bedarf (Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit: Epworth Sleepiness Scale im Anhang). Werte bis 6 oder 7 auf dieser Skala gelten noch als harmlos, ab 9 oder 10 Punkten wird eine genaue Abklärung empfohlen.
Wichtig ist auch zu unterscheiden zwischen einer Müdigkeit, die eher von Antriebs- und Lustlosigkeit begleitet ist, wie sie für eine depressive Störung typisch ist, und einer effektiven Schläfrigkeit, die die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Daher ist eine genaue Erhebung des Schlafverhaltens und auch der Alltagsgewohnheiten von großer Bedeutung. Die Art der Schlafstörung, ob Ein- oder Durchschlafstörung und allenfalls frühes Erwachen, liefert Hinweise für die Ursache der Schlafstörung.
Gemäß Studien in der Normalbevölkerung in den USA klagen 16% der Erwachsenen über eine Müdigkeit oder Schläfrigkeit, durch welche ihre Tätigkeit täglich oder mehrmals pro Woche beeinträchtigt wird. Weniger als die Hälfte dieser schläfrigen Personen beklagte sich auch über einen deutlich gestörten Nachtschlaf, aber je ca. 60% über Atempausen im Schlaf bzw. Störung durch unruhige Beine (Restless Legs).
Zwischen 4 und 27 % dieser Befragten räumten ein, dass sie mindestens einmal am Steuer eingeschlafen waren. Dies unterstreicht, dass Müdigkeit und Schläfrigkeit tagsüber nicht nur ein subjektiv störendes Symptom für den Betroffenen darstellt, sondern dass sich daraus auch schwerwiegende individuelle und gesellschaftliche Konsequenzen ergeben.
Die Häufigkeit dieser Beschwerden nimmt ständig zu. Laut Stressreport Deutschland 2012 litten 2006 noch 20 % der Befragten unter nächtlichen Schlafstörungen, 2012 waren es bereits 27 %.
Sozial bedingte Schlafstörungen
Auf die Auswirkungen unregelmäßiger Bettgehzeiten und unterschiedlicher Schlafdauer (Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus). Ist keine Normalisierung der Schlafgewohnheiten möglich, wie z. B. bei Schichtarbeit oder Jetlag, kann Melatonin am Abend und Lichttherapie am Morgen (auch durch Spaziergang im Freien) helfen, die innere Uhr rascher umzustellen. Schichtarbeiter berichten über einen positiven Effekt, wenn die Schlafmenge auf zwei Tagesportionen aufgeteilt wird, analog einem Nachtschlaf, welcher mit einem kürzeren Mittagsschlaf kombiniert wird. Schlafmittel sind nur eine vorübergehende, sicher aber keine dauerhafte Lösung, da sie den Schlaf langfristig ungünstig beeinflussen und wegen Gewöhnungseffekten an Wirksamkeit verlieren.
Psychische Probleme
Eine häufige Ursache von Müdigkeit ohne eigentliche Schläfrigkeit sind psychiatrische Krankheiten, insbesondere Depressionen. Sie werden in Abschn. 2.4 besprochen. Traumafolgestörungen mit Alpträumen können den Schlaf auch schwer stören.
Schlafapnoe
Eine mögliche Ursache für Müdigkeit ist das sogenannte Schlafapnoesyndrom, das bei Menschen mit starkem Schnarchen auftreten kann. Beim obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS) kommt es im Tiefschlaf zu einer Verengung der Atemwege, die zu wiederholten Atemaussetzern und einer Unterbrechung des Tiefschlafs führt. Der Schlaf bringt deshalb keine Erholung, die Betroffenen stehen müde auf. Besteht der Verdacht auf nächtliche Atemaussetzer, so bringt eine Nacht im Schlaflabor Klarheit. Kleine Sensoren messen im Schlaf verschiedene Körperfunktionen, z. B. die Atmung und den Sauerstoffgehalt des Bluts, den Herzrhythmus, die Hirnströme sowie Bewegungen von Beinen und Armen. Mit diesen Daten können eine Atemstörung und/oder die mit dem Schnarchen verbundenen Aufwachperioden erkannt werden. Das Auftreten eines OSAS wird begünstigt durch Übergewicht, Alkoholkonsum oder die Einnahme von Beruhigungsmitteln sowie spezielle anatomische Formen des Nasenrachenraumes. Letzteres bedarf einer sorgfältigen spezialärztlichen Abklärung durch einen Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten und eventuell eine chirurgische Korrektur des Nasenrachenraumes.
Mit der geeigneten Therapie kann dem Patienten wieder zu erholsamem Schlaf, Gesundheit und Lebensqualität verholfen werden. Bei der Behandlung der Schlafapnoe steht primär die Behebung der Ursache (Gewichtsreduktion, Verzicht auf Alkohol oder Sedativa) zur Diskussion. Oftmals sind diese Faktoren schwierig zu beeinflussen, so dass sekundär die Überdruckbeatmung mit einer Maske angewendet werden muss. Mithilfe eines sogenannten CPAP-Geräts („Rüssel“) wird dabei während des Schlafs der Druck in den Luftwegen so weit erhöht, dass das Atmen mühelos möglich ist und das Schnarchen verschwindet. Bereits nach der ersten Behandlungsnacht erleben die Patienten ihren Schlaf meist als viel erholsamer. Die übrigen Methoden sind Zahnschiene, Lagekonditionierung und Operation (Vorverschiebung des Ober- und Unterkiefers). Letzteres kommt bei jungen Patienten und Personen mit Gesichtsschädelformen, die eine obstruktive Apnoe begünstigen, in Frage. Diese Methoden zeigen allerdings gegenüber der Maskenatmung längerfristig meistens eine schlechtere Wirksamkeit.
Unruhige Beine
Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist relativ einfach zu diagnostizieren auf Grund der Kriterien:
• Bewegungsdrang der Beine mit Missempfindungen,
• Auftreten in Ruhe am Abend (bei längerem Sitzen) oder in der Nacht beim Einschlafen,
• Besserung (Verschwinden) bei Bewegung.
Bis zu 50 % der RLS-Patienten berichten über eine störende Tagesschläfrigkeit und die meisten zumindest über Müdigkeit. Sie lassen sich mit Medikamenten (meist Dopaminagonisten) relativ gut behandeln. Häufige Ursache sind abendlicher Alkohol- und Koffeinkonsum. Auch Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) können den Schlaf stören und Tageschläfrigkeit verursachen.
Neurologische Erkrankungen
Wiederholte epileptische Anfälle im Schlaf können eine Tagesschläfrigkeit hervorrufen. Frontallappenanfälle treten besonders häufig aus dem Schlaf heraus auf. Diese Anfälle können sehr diskret verlaufen. Oft werden die Anfälle auch als andere Schlafstörung oder als Panikattacke verkannt. Nach schweren Schädelhirntraumen (SHT) leiden viele Patienten an Schläfrigkeit, Hypersomnie oder Müdigkeit. Etliche Patienten mit Morbus Parkinson klagen im Verlaufe oder besonders zu Beginn der Erkrankung über Tagesschläfrigkeit. Man vermutet, dass einerseits der degenerative Prozess die Wachzentren im Hirnstamm betrifft und andererseits die zur Behandlung eingesetzten Medikamente zu Schläfrigkeit führen (Abschn. 1.5). Bei der Multiplen Sklerose steht öfters eine Müdigkeit und Erschöpfbarkeit im Vordergrund und seltener eine eigentliche Schläfrigkeit.
Eigentliche Schlafstörungen (Insomnie) mit Müdigkeit
Patienten, welche primär an einer Schlafstörung leiden, klagen oft über Tagesmüdigkeit, seltener über eigentliche Schläfrigkeit. Ein gesunder Mensch, der zu wenig schläft, wird schläfrig. Wer schlecht schlafen kann, wird zwar müde, kann aber auch am Tag nicht einschlafen. Wenn allerdings die Schlafstörung durch äußere Ursachen oder Krankheiten bedingt ist, wie eine lärmende Umgebung, Schmerzen, OSAS oder RLS, leiden die Betroffenen unter Schläfrigkeit.
Narkolepsie
Die Narkolepsie – eine sehr seltene anfallsweise „Schlaf-Wach-Störung“ – lässt sich relativ einfach diagnostizieren, wenn tagsüber eindeutige Kataplexien vorliegen, das heißt eine akute, meistens nur wenige Sekunden dauernde Muskelschwäche, welche durch eine Emotion (Lachen, Ärger etc.) ausgelöst wird. Typisch ist eine Schwäche im Gesicht, indem der Unterkiefer oder der Kopf etwas herunterfällt und das Sprechen verwaschen wirkt. Manche Patienten berichten über eine Schwäche in den Knien, welche sie zum Hinsetzen zwingt. Das Bewusstsein bleibt dabei erhalten.
Narkoleptiker fühlen sich am Morgen in der Regel relativ gut ausgeruht oder erwachen sogar spontan. Die Tagesschläfrigkeit meldet sich aber bereits ein bis zwei Stunden später zurück und führt dann in langweiligen Sitzungen, auf langen Zugfahrten oder vor dem Fernseher ungewollt zum Einschlafen. Unwiderstehliche Einschlafattacken treten aber auch mitten im Gespräch, beim Essen, beim Geschlechtsverkehr oder fatalerweise beim Fahrrad- und Autofahren auf. Schläfchen am Tag sind bei dieser Störung typischerweise erholsam. Die Diagnose kann im Schlaflabor relativ leicht gestellt werden. Zur Behandlung stehen spezielle Medikamente zur Verfügung.
Primäre (idiopathische) Hypersomnie
Es gibt Menschen, die trotz verlängerter Schlafdauer neben einem erhöhten Schlafbedürfnis (über zehn Stunden) über Schwierigkeiten, morgens überhaupt zu erwachen, klagen. Die Krankheit beginnt meistens im jungen Erwachsenenalter und tritt nicht selten in Familien gehäuft auf. Die Betroffenen haben einen Schlafbedarf von über zehn Stunden pro Nacht, und selbst im Morgengrauen kann noch der Tiefschlaf einsetzen, aus welchem sie schlecht weckbar sind. Sie verschlafen unter Umständen trotz mehrerer Wecker und müssen von den Angehörigen geweckt werden. Sie fühlen sich in der ersten Stunde nach dem Aufstehen wie im Halbschlaf oder wie betrunken.
Sekundäre Hypersomnie bei anderen Störungen
Bei psychiatrischen Erkrankungen stehen meist Schlafstörungen im Vordergrund, doch bis zu 40% der Depressiven klagen nicht nur über Schlaflosigkeit und Müdigkeit, sondern über Tagesschläfrigkeit, wobei dies am häufigsten bei der atypischen Depression vorkommt. Aber auch bei leichteren, rezidivierenden depressiven Stimmungsschwankungen (Dysthymie) oder saisonalen affektiven Störungen (Seasonal Affective Disorder, SAD; „Winterdepressionen“) kommt gehäuft ein erhöhtes Schlafbedürfnis vor.