Ratgeber

Leben Vegetarier gesünder?


Wo bekomme ich meine Vitamine her? Eine Frage, die auch von Veganer-Organisationen immer wieder thematisiert wird, jedoch in erster Linie mit dem Fokus auf das Fehlen von Vitamin B12 in der veganen Ernährung.
Alle anderen Vitamine, so die Interessenverbände und verschiedene Experten, seien in dieser Ernährung ausreichend vorhanden und es bedürfe daher weder einer zusätzlichen Einnahme von Vitaminen noch irgendwelcher anderer Maßnahmen. Wie sind nun diese Aussagen zu bewerten?
Zur Beantwortung dieser Frage ist die folgende Auflistung der Speicherzeiten fettlöslicher Vitamine im Körper (Leber, Fettgewebe) hilfreich:

Vitamin A 9 – 12 Monate
Vitamin B 12 1 – 3 Jahre
Folsäure 2 – 3 Monate
Vitamin D 2 – 6 Wochen
Vitamin E 2 – 6 Wochen
Vitamin K 2 – 6 Wochen
Vitamin B 2 2 – 6 Wochen
Vitamin B 6 2 – 6 Wochen
Niacin 2 – 6 Wochen
Vitamin C 2 – 6 Wochen
Vitamin B 1 4 – 10 Tage
Biotin 4 – 10 Tage
Pantothensäure 4 – 10 Tage

Die Mindestzeit der Speicherung gilt für ein fast vollständiges Ausbleiben der Vitaminzufuhr, die maximale Zeit für eine kontinuierliche, optimale Zufuhr. Die angegebenen Zeiträume gelten für einen gesunden erwachsenen Menschen mit normaler Stoffwechselaktivität und mittlerer körperlicher Belastung. Im Falle eines sogenannten Hypermetabolismus, also einem gesteigerten Verbrauch der Nährstoffe bei verschiedenen chronischen aber auch akuten Erkrankungen, können die Reserven weitaus schneller verbraucht werden. Liegt die Zufuhr eines oder mehrerer Vitamine über längere Zeit unter dem sogenannten mittleren Bedarf, dann können die Reserven im Falle einer Erkrankung innerhalb weniger Tage aufgebraucht sein. Grundsätzlich kann bei einem gesunden Erwachsenen eine den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nicht entsprechende Zufuhr einzelner Vitamine über längere Zeit ohne Konsequenzen bleiben. Dies erklärt möglicherweise auch, warum Veganer trotz kritischer Versorgung mit Vitaminen gesund scheinen. Anders sieht die Situation dann aus, wenn der Bedarf steigt, was besonders bei einer Schwangerschaft oder bei Krankheit zu einer kritischen Entwicklung führen kann.
Die Versorgung mit sämtlichen essenziellen Mikronährstoffen (MN), also Vitaminen, Mineralien, Aminosäuren (und nicht nur Vitamin B12) kann ungenügend sein bei höherem Bedarf oder bei einer eingeschränkten Bioverfügbarkeit aus den Lebensmitteln, die Veganer zu sich nehmen. Das heißt, dass der Anteil der Nährstoffe, die mit den Nahrungsmitteln zugeführt werden, durch eine schlechtere Freisetzung aus den Nahrungsmitteln oder durch eine schlechtere Absorption aus dem Darm ins Blut dem Körper nicht ausreichend zur Verfügung stehen.

Mikronährstoffe (MN)Eisen Mittlere Bioverfügbarkeit pflanzlich versus tierischCerealien, Blattgemüse (1:5–1:10) Inhibitoren/UrsachePhytinsäure Polyphenole (Kaffee, Tee) Soya Protein
Zink Cerealien (1:3) Phytinsäure
Kalzium Cerealien, Blattgemüse (1:3) Phytinsäure
Folsäure Blattgemüse (1:4) Polyglutamatverbindung

Die Versorgung mit Mikronährstoffen kann also nicht über deren Gehalt in den zugeführten Lebensmitteln bestimmt werden, da die Unterschiede in der Bioverfügbarkeit bei den verschiedenen Lebensmitteln zu berücksichtigen sind, was aber leider immer noch keine ausreichende Beachtung findet.
Der völlige Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte jeder Art stellt ein nicht zu vernachlässigendes Risiko einer Unterversorgung mit verschiedenen Mikronährstoffen dar. Wenngleich Menschen, die eine vegane Diät bevorzugen, immer wieder nur darauf hinweisen, dass ihnen außer dem Vitamin B 12 nichts fehle, so gibt es doch hinreichend Daten, dass eine Reihe anderer Mikronährstoffe bei dieser Ernährungsform kritisch sind. Die weltweit größte Veganer-/Vegetarierstudie vergleicht 33.883 Fleischesser mit 10.110 Fisch-Essern, 18.840 Lacto-Ovo-Vegtariern und 2.596 Veganern. Fleischesser haben im Mittel eine höhere Energiezufuhr (10 – 11%) als Vegetarier. Veganer haben in ihrer Ernährung den höchsten Gehalt an Ballaststoffen, Vitamin B1, Folsäure, Vitamin C, E, Magnesium und Eisen, hingegen den niedrigsten Gehalt an Vitamin A, B12, D, Kalzium und Zink. Bei Folsäure und Eisen muss die geringe Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Nahrungsmitteln berücksichtigt werden.
Wird auf jede Form tierischer Lebensmittel verzichtet, so kann es je nach Lebenssituation (z. B. Erkrankungen, Schwangerschaft, Stillzeit) zu klinisch relevanten Defiziten kommen. Zweifellos hat die vegane Ernährung auch ihre Vorteile. So haben Veganer im Vergleich zu Omnivoren ein niedrigeres Körpergewicht, sind sehr viel seltener übergewichtig und haben folglich auch ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Metabolisches Syndrom und einige Krebserkrankungen. Nun sind dies alles Vorteile, die bei einem gesunden Lebensstil auch Omnivoren haben können, sofern ihre Ernährung ausgewogen ist, das Körpergewicht im Normalbereich liegt und sie sich regelmäßig bewegen. Hinsichtlich des Gewichtes zeigen große Metaanalysen aus jüngster Zeit, dass ein moderates Übergewicht (bis zu einem Body-Mass-Index von maximal 30) durchaus mit einem guten Gesundheitszustand und sogar einer längeren Lebenserwartung verbunden sein kann.
Neben den oben erwähnten unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten sind es die Probleme mit adäquaten Nährstoffquellen, die die Zuführung der Mikronährstoffe einschränken können. Wenn die Versorgung der Veganer mit essenziellen Mikronährstoffen geprüft wird bzw. Empfehlungen zur bedarfsdeckenden Ernährung dieser Gruppe gegeben werden, so wird immer nur das Lebensmittel betrachtet, in dem die verschiedenen Mikronährstoffe vorliegen. Und genau hier liegt der Trugschluss. Ein Lebensmittel kann zwar reich an einzelnen Vitaminen sein, das heißt aber noch lange nicht, dass der „ganze Reichtum“ auch vom Körper aufgenommen werden kann.

Mikronährstoffe (MN) Vitamin B 12
Besondere Ursachen inadäquater Versorgung bei veganer Kost
In Pflanzen nicht vorhanden. Das in Algen vorkommende B12 entspricht nicht dem durch Bakterien gebildeten, wie es in fermentierten Produkten vorkommt und hat wenig B12-Wirkungen
Vitamin A In Pflanzen nicht vorhandenAls Provitamin A aus Karotten und Mango Konversion zu Vitamin A (1:12)
Vitamin D In Pflanzen (Ausnahme Pilze) nicht vorhanden. Die pflanzlichen Vorstufen, die in einigen Lebensmitteln (z.B. Avocado) enthalten sind, können nach Verzehr nicht zu Vitamin D 2 metabolisiert werden.
Folsäure Liegt in Pflanzen anders vor als in tierischen Lebensmitteln. Die pflanzliche Folsäure muss vor der Aufnahme im Darm erst freigesetzt werden im Gegensatz zur tierischen oder synthetischen. Die Bioverfügbarkeit aus Pflanzen ist deutlich schlechter als aus tierischen Lebensmitteln.
Vitamin B 2 In pflanzlichen Lebensmitteln um einen Faktor 3–5 niedriger als in tierischen.
Kalzium Allgemein niedrige Zufuhr (< 500 mg), da in pflanzlichen Lebensmitteln nur sehr begrenzt vorhanden
Jod Wenige Quellen u. a. marine Algen sowie goitrogene Substanzen in Soya, Cruciferen und Süßkartoffeln.
Eisen Schlechtere Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Quellen gegenüber Eisen aus tierischen Produkten
Zink Blattgemüse, Getreide und Fleisch sind gute Quellen. Die Bioverfügbarkeit hängt bei pflanzlichen Lebensmitteln wie bei Eisen vom Gehalt an Phytinsäure ab.

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