Ratgeber

Die Gelenke


Damit die Knochen sich in Bewegung setzen, müssen die Muskeln die nötige Kraft aufbringen. Wir brauchen aber noch eine dritte Komponente, nämlich den einfachen Mechanismus, der den Knochen gestattet, sich so gegeneinander zu verschieben, dass tatsächlich eine Leistung – Heben, Bücken und so weiter – stattfinden kann. Diese Mechanik bezeichnen wir als Gelenke. Ein einfaches Beispiel ist das Anheben des Unterarms. Das obere Ende des Bizepses beginnt im Schulterbereich. Dort ist der Ursprung, an dem der Muskel stabil verankert ist. Das andere Ende des Muskels verläuft bis zum Ansatz an dem Knochen, der sich bewegen soll, in diesem Fall bis direkt unter das Ellbogengelenk. Wenn der an der Schulter verankerte Bizeps sich zusammenzieht, hebt er also den Unterarm.
Der Bizeps ist hierbei der Agonist, und wenn er aktiv wird, entspannt sich sein Gegenspieler (Antagonist), der Trizeps. Ein Muskel kann nur durch Kontraktion ziehen, nicht »schieben«, so dass die Muskeln immer zusammenwirken müssen. Sobald der erwähnte Unterarm sich wieder senken soll, übernimmt deshalb der Trizeps die Rolle des Agonisten und zieht sich zusammen, während sich der Bizeps als Antagonist entspannt. Und schon ist der Arm unten.
Die meisten Gelenke, um die es in diesem Buch geht, sind Hebelsysteme, das heißt, sie setzen die Bemühungen verschiedener Muskeln in eine präzise, koordinierte Bewegung der Gliedmaßen um. Knie und Ellbogen gestatten als Scharniergelenke nur Bewegungen in ein oder zwei Richtungen, während Sprunggelenk und Handgelenk mehr Bewegungsfreiheit bieten. Die größten Möglichkeiten haben die Kugelgelenke, Hüfte und Schulter. Dabei muss jedes Gelenk eigene Kompromisse zwischen Kraft, Stabilität und Beweglichkeit eingehen.
Ein Gelenk soll den Knochen maximale Beweglichkeit und die nötige Stabilität, aber auch ein Minimum an Reibung gewähren. Die am Gelenk beteiligten Knochen sind von einer Hülle, der so genannten Gelenkkapsel, umgeben, in der die Gelenkflüssigkeit den Spalt zwischen den Gelenken gleitfähig macht. Die Knochenenden innerhalb der Gelenkkapsel sind von weicherem Gelenkknorpel umgeben, der Bewegungen ermöglicht, ohne dass die Knochen aneinander entlangreiben. Außerhalb des eigentlichen Gelenks sorgen Schleimbeutel (Bursae) für eine zusätzliche Polsterung von Muskeln und Skelett.
Die widerstandsfähige äußere Schicht der Gelenkkapsel besteht aus einem anderen Knorpel, dem Bindegewebsknorpel (Faserknorpel). Manche Gelenke besitzen spezielle Stoßdämpfer aus Faserknorpel innerhalb der Gelenkkapsel; hierzu gehören das Labrum in Schulter oder Hüfte und der Meniskus im Knie. Auch die Bandscheiben in der Wirbelsäule bestehen teilweise aus Faserknorpel, der hier mit einem Gallertkern gefüllt ist, welcher zwischen den Wirbeln Stoßbewegungen abfedert.
Innerhalb und manchmal auch außerhalb der Kapsel halten kräftige Gewebestreifen, die Bänder (Ligamente), die beiden Knochen zusammen und an Ort und Stelle, um kontrollierte Bewegungen zu ermöglichen. (Das Gelenk mit den meisten Bändern – und den meisten Bänderrissen – ist das Knie.) All diese Gewebearten, die das ganze System letztlich am Laufen halten, fallen unter den Oberbegriff Kollagen. Kollagen ist das gummiartig feste und rundum faszinierende Material, das den Grundbaustein für das gesamte Bindegewebe darstellt, für Knorpel und Bänder, Faszien und Sehnen.
Der Aufbau der Gelenke ist sehr beeindruckend und im Detail geradezu erschütternd raffiniert. Dennoch sollte man stets bedenken, dass die Muskeln sehr wirksame Stoßdämpfer sind, die bis zur Hälfte der selbst erzeugten Kräfte (oder mehr) abfangen können, ob wir nun auf dem Fußballfeld einen Zweikampf ausfechten oder am Schreibtisch sitzen. Das Zusammenspiel von Muskeln und Gelenken scheint von Natur aus dazu zu dienen, perfekt auf jede Umweltgefahr reagieren zu können, ob im Verkehr oder beim Sport. Spätestens ab 35 oder 40 wissen wir, dass auch dieses System nicht unangreifbar ist.

 

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