Immer wieder wurde die Nahrungsaufnahme unterbrochen, es gab kürzere oder längere Phasen des Hungerns. Über Zehntausende von Jahren hatten die Menschen in diesen beiden Punkten (Flexibilität und Rhythmus) keine große Wahl. Für unseren Körper war das anscheinend auch kein Problem. Im Gegenteil: Heute wissen wir, dass sich unsere Zellen erholen und Reparaturmechanismen anwerfen, wenn der Körper längere Zeit nichts zu essen bekommt.
Doch als die Frühmenschen vorerst genug von ihrer Mobilität hatten und als Sammler und Jäger davon zu träumen begannen, Bauern zu werden, wurden sie sesshaft – mit Scholle, Ackerbau, Viehzucht, Vorratskammern für den Winter und allem Drum und Dran. Auf diese Weise setzte man der Unberechenbarkeit der Natur und den Gezeiten einen regelmäßigen Rhythmus entgegen. Fragen wie »Was essen wir?« und »Wann essen wir?« stellten sich nicht. Auch wenn immer wieder Hungersnöte durch Ernteausfälle die Menschen plagten und das Leben anstrengender wurde, weil von morgens bis abends auf den Feldern und in den Ställen geschuftet werden musste, so gab es nun öfter regelmäßige Mahlzeiten als früher. Allerdings ging durch den systematischen Anbau von Nutzpflanzen wie Getreide nach und nach die Nahrungsvielfalt verloren. Gleichzeitig wurde mehr tierisches Protein gegessen (Fleisch – und Milchprodukte). Nicht zu vergessen: Der Mensch wurde abhängiger von seiner Umgebung.
Dieser Prozess verlief kontinuierlich weiter, bis sich mit den industriellen Revolutionen unser Leben und unsere Ernährungsgewohnheiten noch einmal radikal veränderten. Und das in jeder Hinsicht. Durch Elektrizität, Kühlschränke und schnelle Transportmöglichkeiten erhielten Menschen auf einmal schier unbegrenzten Zugang zu Nahrungsmitteln. Heute können die meisten von uns das ganze Jahr über an sieben Tagen in der Woche vierundzwanzig Stunden am Tag (24/7 also) essen und arbeiten. Auf den ersten Blick war dies der Sieg über die unberechenbare Natur, auf den zweiten ein großes Problem für die Biologie des menschlichen Körpers – ein fragwürdiger Erfolg also.
Der moderne Fortschritt, vor allem in der Lebensmittelindustrie, hat unsere Gene und Zellen nämlich wenig beeindruckt – höchstens negativ. Das uralte Programm – Essen, gefolgt von Phasen des Hungerns, gefolgt von Nahrungsaufnahme – ist immer noch in ihnen verankert. Zwar gibt es schon einige »jüngere« genetische Anpassungen und Veränderungen in unserem Körper, doch die sind rar. So haben wir Europäer zum Beispiel in den letzten 10 000 Jahren aufgrund der Viehzucht eine Möglichkeit entwickelt, Kuhmilch zu vertragen. Das Milchzucker spaltende Enzym Laktase ermöglicht es, dass die meisten von uns keine Bauchkrämpfe mehr bekommen, wenn sie Kuhmilch trinken und Kuhmilchkäse essen. Das dürfte zu Beginn der Zuchtviehnutzung nicht der Fall gewesen sein und am Anfang bei den meisten sesshaft Gewordenen zu einigen Bauchschmerzen geführt haben.
Unser Verdauungs – und Stoffwechselsystem hat sich ansonsten seit 100 000 Jahren kaum verändert. Das war anscheinend auch nicht nötig. Der menschliche Organismus war im Lauf der Evolution stets klug. Fortwährend hat er versucht, den Königsweg zu finden, um sowohl in Phasen des Hungerns als auch des Überflusses gesund zu bleiben. So gut es ging. Darum kann unser Körper bis heute mit dem fragwürdigen Erfolg der Nahrungssuche bestens umgehen. Entweder es gibt etwas zu essen – oder eben nicht.
Da beginnt aber das Problem. Unser Körper ist mit den umfassenden Veränderungen der Lebensgewohnheiten vor allem der letzten 200 Jahre völlig überfordert. Moderne Transportmittel und Kühlsysteme ermöglichen die permanente Verfügbarkeit von Nahrung aus aller Welt. Zu jeder Jahreszeit. Dazu kommen industriell gefertigte Lebensmittel mit etlichen künstlichen Zusatzstoffen, mit zu viel Zucker, viel zu viel Salz. Auch tägliche Fleischgerichte sind moderne Errungenschaften, mit denen das uralte Stoffwechselsystem unseres Körpers nicht klarkommt.