Cholesterin ist für unseren Körper ein so wichtiger Werkstoff, dass er sich lieber nicht auf Einfuhren verlässt, sondern ihn selbst herstellt. Zwischen 1000 und 1500 Milligramm beträgt die Tagesproduktion, je nach Erfordernissen. Dazu kommen aus der Nahrung noch einmal 500 bis 800 Milligramm hinzu. Bei allzu üppiger Versorgung verhängt der Körper einen Importstopp: Selbst bei einer massiven Zufuhr kann er die Aufnahme auf 300 Milligramm drosseln. Bleibt die Zufuhr von außen jedoch unter dem Limit, dann wird die Eigenproduktion angekurbelt.
Wie weit diese Regulationsfähigkeit in Anpassung an die jeweiligen Ernährungsbedingungen gehen kann, demonstrieren anschaulich Gesellschaften, in denen überwiegend Fleisch, Fett und andere tierische Produkte verzehrt werden. Die Bewohner der Polarregion, die Inuit, ernähren sich fast ausschließlich von Fisch und dem tranreichen Wal- und Robbenfleisch. Sie rühren sich mit der Nahrung fast doppelt soviel Cholesterin zu wie die Europäer, und trotzdem liegt ihr Cholesterinspiegel niedriger. Auch die Massai, ein afrikanisches Hirtenvolk, leben vorwiegend von tierischen Produkten: Außer bis zu fünf Litern Milch täglich nehmen sie noch Fleisch und Blut ihrer Rinder zu sich. Tierisches Fett macht zwei Drittel ihrer Gesamtkalorienmenge aus, sie verzehren täglich zwischen 600 und 2000 Milligramm Cholesterin – und trotzdem liegen ihre Serumcholesterinwerte unter denen von Amerikanern oder Europäern.
Obwohl es genügt hätte, ein einschlägiges Lehrbuch zu konsultieren, um von Zweifeln an der Cholesterinhypothese erfüllt zu sein, machten sich deutsche Ernährungsexperten dennoch die Mühe herauszufinden, ob das, was für alle Menschen auf dem Globus gilt, auch hierzulande seine Richtigkeit hat. Seither kann man den peniblen Tabellen der Verbundstudie Ernährungserhebung und Risikofaktoren Analytik, abgekürzt VERA, entnehmen, dass die untersuchten knapp 2000 Personen, gleichgültig, ob sie wenig, durchschnittlich, viel oder sehr viel Cholesterin mit der Nahrung aufgenommen hatten, alle im Schnitt denselben Gesamtcholesterinwert aufwiesen.
Männer Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4
Nahrungscholesterin
in Milligramm pro Tag bis 379 379 – 487 487 – 631 über 631
Gesamt-Cholesterin
in Milligramm pro Deziliter 209 209 208 208
über 200 mg/dL
Gesamt-Cholesterin hatten 57,3% 58,2% 55,6% 54,2%
über 250 mg/dL
Gesamt-Cholesterin hatten 19,4% 21,6% 16,4% 14,6%
Frauen Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4
Nahrungscholesterin
in Milligramm pro Tag bis 313 313 – 410 410 – 529 über 529
Gesamt-Cholesterin
in Milligramm pro Deziliter 208 214 210 209
über 200 mg/dL
Gesamt-Cholesterin hatten 56% 61,9% 55,8% 58,9%
über 250 mg/dL
Gesamt-Cholesterin hatten 22,5% 23,8% 21,5% 22,2%
Dieses Gleichgewicht zwischen Zufuhr von außen und körpereigener Produktion nennt man Homöostase. Und deshalb lassen sich die Cholesterinwerte bei den meisten Menschen nicht – oder höchstens kurzfristig – mit Messer und Gabel beeinflussen. Unser Körper versucht, auf lange Sicht den von ihm erwünschten Mittelwert zu halten. Aus diesem Grund sind in der Vergangenheit die meisten Versuche gescheitert, durch »herzfreundliche Ernährung« den Cholesterinspiegel zu senken.